Zentralabitur 2020: Professor weist auf “mangelhaften Aufgabentext” in Mathe-Prüfung hin

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Deutsche Sprache, schwere Sprache.

Gegen manche Dinge im Leben ist kein Kraut gewachsen. Gegen Unstimmigkeiten im Zentralabitur zum Beispiel. Es ist wie gegen Windmühlen kämpfen. Offenbar hat es auch in diesem Jahr im NRW-Zentralabitur eine fragwürdige Teilaufgabe gegeben, und zwar in der Stochastik-Aufgabe für den Grundkurs (GK). Franz-Reinhold Diepenbrock, Professor für Angewandte Mathematik im Ruhestand, hat sich damit auseinandergesetzt, wie man hier im Detail nachlesen kann.

In aller Kürze: Die Prüflinge sollten die Wahrscheinlichkeit eines mit Worten umschriebenen Ereignisses bestimmen, nämlich des Ereignisses “Mehr als 6 Buchungen werden nicht angetreten”. Das Problem dabei: Dieser Satz hat unterschiedliche Bedeutungen, je nachdem welches Wort betont wird: entweder “Mehr als 6 Buchungen werden nicht angetreten” oder “Mehr als 6 Buchungen werden nicht angetreten”.

Die Modelllösung berücksichtigt laut Diepenbrock nur die zweite Lesart. Was ist, wenn ein Schüler den Satz aber — nicht zu Unrecht — anders versteht und der korrigierende Lehrer diese Version nicht gelten lässt? Es “ergibt sich zwangsläufig eine durchaus nennenswerte Zahl von klaren Fehlbeurteilungen”, so Diepenbrock. “Die einzig akzeptable Reaktion des Schulministeriums kann nur darin bestehen, für Aufklärung und Korrektur zu sorgen und eine Überprüfung der Korrektur des betreffenden Aufgabenteils bei allen Grundkursklausuren mit dieser Aufgabe zu veranlassen.”

Eine solche Reaktion des Ministeriums ist uns nicht bekannt — und würde uns im Übrigen außerordentlich überraschen. Wie gesagt, gegen manche Dinge ist kein Kraut gewachsen. Oder, um es mit Paul Schibler zu sagen: Missstände sind die Folge verfehlter Einstellungen. Sie bleiben bestehen, solange kein Umdenken erfolgt.

1 Kommentar

  1. Franz-Reinhold Diepenbrock

    Wer nicht schon aus einigen früheren Jahren das Verhalten des NRW-Schulministeriums kennt, der wird denken, dass das Schulministerium sich nach Erkenntnis des Problems um eine Korrektur bemühen würde, wofür ja nach meinem Hinweis vom 8. Juni noch Zeit gewesen wäre. Aber es ist nichts in der Richtung passiert, und ich habe auch die Information (Stand 24. Juni 2020), dass das Schulministerium keine Gegensteuerung beabsichtigt. Verzweifelt fragt man sich da, ob eigentlich eine korrekte Bewertung von Prüfungsleistungen jedenfalls dann nicht zu den Zielen des Ministeriums gehört, wenn es zur Sicherstellung einer korrekten Bewertung notwendig wäre, eine Panne zuzugeben. Wenn es noch eine Unabhängige Kommission gäbe, wie sie 2008 oder 2009 für zwei Jahre eingerichet wurde, dann würde ich die Unabhängige Kommission über diesen Missstand informieren. Aber die gibt es anno 2020 nicht.
    Im September wird mit überaus großer Wahrscheinlichkeit dann die Aufgabe mitsamt Modelllösung für SchülerInnen und LehrerInnen ohne jeglichen eigentlich notwendigen korrigierenden Kommentar bereitgestellt, auf dass die Schüler, in deren Sinn die Interpretationsmöglichkeit kommt, die sich nicht mit der Modelllösung deckt, bei mäßigem oder normalem Selbstbewusstsein an ihrem Sprachverständnis zweifeln, und die Lehrer natürlich absolut kein gutes Vorbild für Aufgabenentwicklung erhalten.
    So lief es ja auch 2019 im September mit der von mir kritisierten “Schwimmbadaufgabe” des NRW-Mathematikabiturs 2019. Bei der Leistungskursversion der Schwimmbadaufgabe war ausgerechnet der problematischeste und für eine Abiturprüfung ungeeignete Teil (b) 2 eine NRW-Erweiterung gegenüber der entsprechenden IQB-Pool-Aufgabe.

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