NRW-Zentralabitur 2015 (Mathematik Grundkurs): Wieder dieselbe (Fixvektor-)Panne wie 2014?

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(Fast) jährlich grüßt das Murmeltier: In den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012 und 2014 ist in den Abiturprüfungen für den Grundkurs Mathematik nach “stationären Verteilungen” (Synonym für Fixvektoren im sogenannten Sachzusammenhang) gefragt worden, obwohl dieser Unterrichtsinhalt laut Lehrplan und Vorgaben nur für den Leistungskurs (LK), nicht aber für den Grundkurs (GK) vorgesehen ist (siehe unsere Untersuchung “Unstimmigkeit im NRW-Zentralabitur 2014 (Mathematik Grundkurs)”).

Vergangenen Dienstag, 21.04.2015, fanden die diesjährigen Abiturprüfungen in Mathematik statt. Auf der Seite abiunity.de (einem Internetforum, auf dem sich Schüler austauschen) findet sich der Thread “Wölfe und Solaranlage” (http://www.abiunity.de/thread.php?threadid=38987&sid=). Wenn man den Beiträgen dort Glauben schenkt, dann ging es bei der GK-Aufgabe zur Matrizenrechnung um eine Population von Wölfen (wann kommen endlich Meerschweinchen dran?), und offenbar wurde wieder nach stationären (= stabilen) Verteilungen gefragt:

  • Nico2401 schreibt: “Hey, also wir hatten im GK die Matrizenaufgabe mit den Wölfen! Ausser die Stabile Verteilung (Fixvektor) fand ich das ziemlich einfach. […]”
  • Julandi antwortet u.a.: “Eine konkrete stabile Verteilung konnte ich nicht finden. habe zwar abhängigkeiten, diese führen aber zu keiner verteilung, die stationär ist.”
  • Sterna schreibt: “Die Wolfsaufgabe hatte ich auch […] es gab abgesehen von (0/0/0) unendlich viele stationäre Vektoren. Der kleinste war glaube ich bei (4/5/10)”

Wenn dem tatsächlich so ist, dann setzt sich die Panne der vergangenen Jahre fort. Denn auch für 2015 sehen der Lehrplan (online hier, S. 23ff) und die “Vorgaben zu den unterrichtlichen Voraussetzungen für die schriftlichen Prüfungen im Abitur in der gymnasialen Oberstufe im Jahr 2015” (hier) Fixvektoren/stationäre Verteilungen nur für den Leistungskurs, aber nicht für den Grundkurs vor. Die Lektion würde also nach wie vor lauten: “Wer sich an die Vorgaben hält, hat Pech gehabt.” Wir sind gespannt, ob der eine oder andere Schüler gegen diese Prüfung Widerspruch einlegen wird und wie ein Verwaltungsrichter die Sache eventuell beurteilen wird…

Dass das Ministerium für Schule und Weiterbildung die Panne von 2014 mit merkwürdigen Argumenten abstreitet (wir berichteten), ist nicht besonders verwunderlich. Es ist aber äußerst irritierend, dass unsere Untersuchung vom 12.09.2014 weder von der GEW NRW noch vom Philologenverband NW noch von der Landesschülervertretung NRW noch von den Oppositionsfraktionen des Landtags noch von diversen Tageszeitungen öffentlich aufgegriffen worden ist. Über die Gründe können wir nur mutmaßen: Opportunismus? Inkompetenz? Kleinmut? Obrigkeitsdenken? Fehlende Zeit, unsere Analyse nachzuvollziehen und sich ein eigenes Urteil zu bilden? Zu große Distanz zur schulischen Realität? Zu geringe Distanz zur Regierung?
Was auch immer die Gründe im einzelnen sein mögen, die Folge ist übel: Die demokratische Kontrolle des Zentralabiturs erweist sich als mangelhaft. Das ist die schwerwiegende Panne hinter der Fixvektorpanne. In einer Bananenrepublik wird es nicht anders zugehen.