Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau berichten nicht über parteilosen Direktkandidaten Roentgen
Lieber Kölner Stadt-Anzeiger, liebe Kölnische Rundschau,
vielen Dank, dass Ihre Lokalredaktion “Rhein-Erft” bisher so ausführlich, nämlich (fast) gar nicht, über meine Landtagskandidatur berichtet hat. Es ist ja wirklich nichts Außergewöhnliches, wenn ein parteiloser Bürger bei einer Landtagswahl als Direktkandidat antritt, nachdem es ihm gelungen ist, über 120 Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Darüber muss man nicht berichten, schon gar nicht über die nebensächlichen Themen dieses Direktkandidaten, nämlich:
- die verrückte Schulpolitik der grünen Ministerin Sylvia Löhrmann,
- Missstände im Schulwesen,
- die mangelhafte demokratische Kontrolle des Schulministeriums und
- das Blabla und die Ignoranz von Berufspolitikern.
Von rechtswidrigen Prüfungen und Chancenungleichheit im Zentralabitur will ich gar nicht reden. Diese Petitessen haben Sie ja noch nie interessiert. Dass ich seit knapp drei Jahren einen Blog mit Analysen und Kommentaren zum Schulwesen und zur Schulpolitik in NRW herausgebe, ist auch nicht der Rede wert.
Bei den Landtagswahlen in den Jahren 2000, 2010 und 2012 lag die Wahlbeteiligung bei unter 60 %. Das ist kein Grund zur Besorgnis, da kann man weitermachen wie bisher. Da muss man nicht darüber nachdenken, ob ein großer Teil der Bürger sich von den etablierten Parteien nicht ernst genommen fühlt. Für diese Bürger gibt es ja neuerdings eine gewisse rechtspopulistische Partei. Alles kein Problem. Die etablierten Parteien und deren Kandidaten werden den Karren schon wieder aus dem Dreck ziehen. Das können die besonders gut, weil sie ihn ja auch darein gesteuert haben (Beispiel: G8).
Ich kann verstehen, dass Sie den wertvollen Platz in Ihren Zeitungen für die wirklich wichtigen, interessanten Dinge verwenden. Ein Blick in den Kölner Stadt-Anzeiger vom vergangenen Wochenende (22./23. April 2017) hat mir die Augen geöffnet:
1.) Da berichten Sie auf Seite 8 (“Land/Region”) fünfspaltig und äußerst kritisch über den FDP-Vorsitzenden: “Der Chef der ‘Einmannpartei’ ist nur schwer zu ersetzen. Christian Lindner (38) hat die FDP nicht zuletzt mit seinen fulminanten Redeauftritten aus dem Quotentief geholt”. Er wird mit den Worten zitiert:
Wir brauchen eine Mentalitätsreform. Das ist vielleicht die wichtigste Reform, über die wir reden müssen.
Hat er Ihnen verraten, wie man das macht, die Mentalität eines ganzen Volkes zu ändern? Auch sehr interessant zu wissen:
2013, das Haupthaar war bereits schütter, ließ Lindner sich Haare transplantieren. Er bekannte sich dazu auf Twitter: “Um es mit Jürgen Klopp zu sagen: Ich finde, das Ergebnis ist ganz cool geworden, oder?”
Vielleicht sollte ich das auch mal machen. Weiter schreiben Sie super-kritisch: “Im Wahlkampf, auf den Plakaten zumal, trifft man auf den ernsten Lindner, den Machertypen. Und solche Typen verstehen keinen Spaß, wenn man ihnen ihre teuren Hobbys madig macht. Für Lindner ist das der Porsche, den er seit langem besitzt.” Ist das wichtig? (Ich besitze übrigens seit langem ein Fahrrad und keinen Porsche.)
Im Lokalteil “Rhein-Erft” geht es dann sehr spannend weiter:
2.) “Im Matrosenanzug zur ersten Kommunion. Der Weiße Sonntag hat eine lange Tradition — Mädchen trugen früher schwarze Kleider” (Seite 28):
Seit 1720 endet mit dem im früheren Volksmund so bezeichneten Sonntag ‘Wieße Ostere’ offiziell die Osteroktav. […] So wie in früheren Zeiten die Bräute in schwarzen Kleidern an der Seite ihres Bräutigams zum Altar schritten, trugen die Mädchen bis um 1930, zum Teil noch später, schwarze Kommunionkleider.
Danke für den zweispaltigen Exkurs in die hochaktuellen Praktiken der römisch-katholischen Kirche!
3.) “Fehlalarme im St.-Katharinen-Hospital. Feuerwehr rückte 29-mal aus und stellte jedes Mal 1100 Euro in Rechnung — Neue Brandmeldeanlage sehr sensibel” (S. 29, fünfspaltig, mit Fotos, die mehr Platz als der Text einnehmen). Welchen Feueralarm muss ich wie oft auslösen, damit Sie darüber berichten?
4.) “Weniger neue Häuser genehmigt” (S. 29):
Im Rhein-Erft-Kreis sind im vergangenen Jahr insgesamt 534 Ein-, Zwei- und Mehrfamilienhäuser genehmigt worden. Das sind 32,4 Prozent weniger als 2015, als noch 790 Genehmigungen erteilt wurden.
Wen interessiert das?
5.) “500 Liter Diesel aus Lkw-Tank abgezapft” (S. 29):
Unbekannte Diebe haben in der Nacht zu Donnerstag im Gewerbegebiet Türnich an der Heisenbergstraße 500 Liter Dieselkraftstoff aus einem Lkw-Tank abgezapft.
Schade, dass die Diebe nicht auf den Lkw “Erststimme ROENTGEN (parteilos)” gesprayt haben.
6.) “Rundum-Service für Senioren. Der Betriebswirt Franz Walch und seine Mitarbeiter bieten Unterstützung im Alltag an” (S. 32, zweispaltig). Über diese (vermutlich) kostenlose Werbung für seinen Betrieb wird sich der Betriebswirt sicherlich gefreut haben.
7.) “Bauboom lässt Handwerker schwitzen. Volle Auftragsbücher führen zu Wartezeiten — Moderate Preiserhöhungen aufgrund steigener Materialkosten” (S. 33, vierspaltig, mit Fotos, die mehr Platz als der Text einnehmen)
In der Rubrik “Köpfe, Klatsch und Kurioses” (S. 34) waren gleich sechs hochinteressante Artikel zu lesen:
8.) “57 neue Studierende in Brühl”:
Die 57 neuen Studierenden des nunmehr fünften Master-Jahrgangs haben an der Einführungsveranstaltung für ihr Masterstudium im Studiengang ‘Master of Public Administration’ (MPA) der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl teilgenommen.
Und in China sind 57 Säcke Reis umgefallen.
9.) “Trainerlizenz vergeben”:
Fünf Trainer des Vereins Kahramanlar – die Helden aus Brühl haben ihre Trainerlizenz B im Bereich Rehabilitationssport Orthopädie und Krebsnachsorge erhalten.
Meinen Glückwunsch!
10.) “Treue Sänger ausgezeichnet”
11.) “Schüler probierten Berufe aus”:
Die Beteiligung war enorm: Alle 60 Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen der Hauptschule in Lechenich haben ein Praktikum absolviert.
Vermutlich war die Beteiligung deshalb enorm, weil das Praktikum verpflichtend war.
12.) “Spende für die Feuerwehr”:
Über eine Spende konnte sich die Oberembter Feuerwehr freuen.
Wem muss ich wie viel spenden, damit Sie darüber berichten?
13.) “Grefrath ist sauber”:
Rund 50 kleine und große Grefrather beteiligten sich an der vom Heimat- und Kulturverein zum fünften Mal organisierten Aktion ‘Sauberes Grefrath’.
Und last but not least:
14.) Letzten Freitag Nachmittag hielt der Innenminister des Freistaats Bayern, Joachim Herrmann, auf Einladung der Rhein-Erft-CDU eine Rede zum Thema “Innere Sicherheit”. Klar, dass Sie darüber mehrspaltig berichten: “München besser als Köln. Bayerischer Innenminister sprach im Medio über Kriminalität und innere Sicherheit” (S. 28). Die Fotos nehmen etwa dreimal so viel Platz ein wie der Text. Im Text heißt es:
Den Weg ins Medio Bergheim fanden am Freitag nur rund 50 CDU-Anhänger.
Hallo? Ich, ohne CDU-Parteibuch, war auch bei der Veranstaltung zugegen; Ihr Reporter hat mich gesehen. Anlässlich des Auftritts des bayerischen Innenministers hätte ich übrigens ein paar kritische Fragen:
a) Der Minister hat zumindest indirekt der CDU beim Wahlkampf geholfen. Wie verträgt sich das mit dem Gebot, dass ein Staatsdiener sein Amt unparteiisch auszuüben hat?
b) Der Minister hat über Kriminalität und deren “Bekämpfung” (mehr Polizei, härtere Strafen, Schleierfahnung) geredet; über die möglichen Gründe von Kriminalität hat er herzlich wenig gesagt. Führen vielleicht Armut, Arbeitslosigkeit, Verwahrlosung zu Kriminalität? Darüber scheint man weder in Bayern noch in der CDU nachdenken zu müssen.
c) Auch die diversen Terroranschläge von bösen Islamisten, die “unsere christlichen Grundwerte” missachten, hat der Minister angesprochen, ohne über die Gründe für Terror und Gewalt nachzudenken. Sind die sogenannten Antiterrorkriege des Westens keine “Terrorzuchtprogramme”? Wie viele CDU-Mitglieder haben Jürgen Todenhöfers Bücher gelesen (und verstanden)? Was ist an Bombardierungen durch Kampfflugzeuge westlicher Nationen christlich? Ist der Westen unbeteiligt an der Destabilisierung ganzer Länder und Regionen (Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien)?
Egal — Hauptsache, die CDU Rhein-Erft konnte sich öffentlichkeitswirksam mit bayerischer Hilfe selbst beweihräuchern: Wir sind die Guten.
Apropos “christlich”: Wie ich erfahren habe, planen Sie, eine Woche vor der Landtagswahl alle Direktkandidaten im Rhein-Erft-Kreis auf einer Doppelseite vorzustellen. Die Vertreter der großen Parteien sollen dabei mehr Platz bekommen als die anderen. Für meine Vorstellung ist lediglich ein kleiner Steckbrief vorgesehen: “Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird Überfluß haben”, heißt es in der Bibel.
Falls Sie wider Erwarten doch noch über meine Kandidatur ausführlich berichten wollen: Im Anhang unten finden Sie ein Interview, das ich mit mir selbst geführt habe. Sie können es gerne übernehmen.
Mit freundlichem Gruß
Ihr treuer Leser Alexander Roentgen
Anhang
Interview mit Alexander Roentgen
Frage: Sie treten als parteiloser Direktkandidat bei der Landtagswahl an. Warum?
Alexander Roentgen: Ich bin in hohem Maße unzufrieden mit der Schulpolitik der rot-grünen Landesregierung. Das Ministerium für Schule und Weiterbildung unter Leitung der grünen Ministerin Sylvia Löhrmann produziert Tinnef am laufenden Band — Innovationstamtam und Administrationsrummel, wohin man blickt. Zahlreiche Beispiele finden sich auf meinem Blog “Schule intakt”. Dieses Ministerium unterliegt keiner kompetenten demokratischen Kontrolle, was man daran erkennt, dass der Landtag sogar rechtswidrige Prüfungen und Chancenungleichheit im Zentralabitur duldet.
Allgemein fühle ich mich durch keine der etablierten Parteien im Landtag vertreten. Damit scheine ich nicht allein zu stehen: Bei den letzten beiden Landtagswahlen in NRW lag die Wahlbeteiligung bei knapp 60 %. Das ist erbärmlich und kein gutes Zeichen für den Zustand der Demokratie. Es ist kein Wunder, dass der Anteil der Nichtwähler so hoch ist. Berufspolitiker müssen lernen, Bürger und deren Anliegen ernst zu nehmen, anstatt sie zu ignorieren und mit Blabla abzuspeisen.
Frage: Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass Sie gewählt werden?
Roentgen: Wenn alle bisherigen Nichtwähler und Politikverdrossenen mich wählen, stehen meine Chancen nicht schlecht.
Frage: Gesetzt den Fall, Sie würden gewählt: Wo läge der Schwerpunkt Ihrer Arbeit im Landtag?
Roentgen: Mein Interesse und meine Kompetenz liegen hauptsächlich im Bereich der Schulpolitik. Es ist klar, dass ich gern Mitglied des Schulausschusses im Landtags würde. Es ist dringend erforderlich, dass das Schulministerium erheblich besser kontrolliert wird, damit es allmählich anfängt, Probleme zu lösen, anstatt immer neue Probleme und Schikanen zu produzieren. In der Zeit vom 8.2.2007 (“Ende einer Dienstzeit”) war zu lesen:
“Gerade ist die eine Reform halbwegs organisiert, kommt die Anweisung für die nächste”, sagt eine Lehrerin an einer anderen Essener Brennpunktschule. “Und das alles in einer Situation, in der wir Probleme haben, den normalen Unterrichtsbetrieb aufrechtzuerhalten.” Was oben als Hilfe für Schüler und Lehrer gedacht ist, kommt unten als sinnloser Aktionismus und Schikane an.
Das ist zehn Jahre her. Geändert hat sich nichts. Dieser Tinnef muss aufhören. Neben einem Sitz im Schulausschuss würde ich gern Mitglied des Petitionsausschusses sein. Ich selbst habe mehrfach Petitionen eingereicht, die allesamt niedergeschlagen worden sind. Ich habe den Verdacht, dass dieser Ausschuss befangen ist, weil zwischen Parlamentsmehrheit und Landesregierung Interessenharmonie und Abhängigkeit herrschen. Es wäre besser, wenn der Petitionsausschuss überparteilich arbeiten würde. Dann könnte er seinem eigenen Anspruch gerecht werden — auf den Seiten des Landtags ist zu lesen:
Das Petitionsrecht räumt jedermann das Recht ein, sich gegen Ungerechtigkeiten, Benachteiligungen oder ungleiche Behandlung durch staatliche Stellen zu wehren. Die Bürgerinnen und Bürger können auf diese Weise unmittelbar Anstöße zur Kontrolle der Verwaltung und in Ausnahmefällen sogar zur Gesetzgebung geben. Die Praxis lehrt, dass auch staatliche Verwaltungsstellen nicht unfehlbar sind. Ungerechtigkeiten und Fehlentscheidungen können durch eine Petition an das Parlament in Ordnung gebracht werden.
Frage: Vor ein paar Wochen wurde ein offener Brief veröffentlicht, in dem rund 130 Professoren und Lehrer den Mathematikunterricht in Deutschland massiv kritisieren. Darin heißt es, der Schulstoff sei mittlerweile so weit ausgedünnt, “dass das mathematische Vorwissen von vielen Studienanfängern nicht mehr für ein WiMINT-Studium ausreicht”. Den Studienanfängern würden Mathematikkenntnisse aus dem Mittelstufenstoff, sogar schon Bruchrechnung, Potenz- und Wurzelrechnung, binomische Formeln, Logarithmen, Termunformungen, Elementargeometrie und Trigonometrie fehlen. Fast überall seinen inzwischen zum Studieneinstieg “mathematische Alphabetisierungsprogramme notwendig”. Sie sind Diplom-Mathematiker und Mathematiklehrer. Wie stehen Sie zu diesem offenen Brief?
Roentgen: Ich stimme diesem Brief uneingeschränkt zu. Auf meinem Blog weise ich schon seit Langem auf die Abwicklung des Mathematikunterrichts hin, ohne dass das Schulministerium das Problem erkennt.