Kleinkinder sollen sich für Berufe in der Digitalwirtschaft interessieren

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Die Bundesregierung zeigt einmal mehr ein eigenartiges Verständnis von Bildung.

tagesschau.de meldete gestern:

Frauen seien in der Digitalwirtschaft unterrepräsentiert, so die Bilanz des dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung. […]

Bundesfamilien- und -justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sieht in der Digitalisierung eine Chance für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Sie rief dazu auf, den digitalen Wandel für die Gleichstellung zu nutzen. Das Bundeskabinett verabschiedete zuvor den dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, der sich explizit mit dem Thema Digitalisierung befasste.

Auch die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau von gestern widmete sich diesem Thema. Der Sprecher sagte unter anderem:

Ein Gutachten umfasst dazu zahlreiche Empfehlungen. So müssten Förderprogramme bereits in der frühkindlichen Bildung ansetzen.

Es folgte ein Bericht über Linda Kruse, Gründerin von “the good evil”, die angeblich erfolgreich Spiele für interaktives Lernen entwickelt. Außerdem wurde von der gestrigen Bundespressekonferenz berichtet. Hier kam die Familien- und Justizministerin, Christine Lamprecht (SPD), zu Wort (Phoenix berichtete vollständig):

“Mehr Frauen in die Digitalwirtschaft”, eine der Forderungen […] aus dem Gutachten. […] Deswegen ist es wichtig, dass wir noch viel, viel früher anfangen müssen, für diese Berufe zu interessieren, also schon, wenn’s geht, in der frühkindlichen Bildung, aber dann auch nicht aufhören […].

In dem “Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung” heißt es:

Digitalisierungsbezogene Kompetenzen sind notwendig, um in einer digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft zurechtzukommen, mehr noch, um sie mitzugestalten. Diese Bildungsbedarfe entstehen früh im Lebensverlauf, und zwar bereits vor dem Schuleintritt, der Berufsbildung oder dem Besuch einer Hochschule – nämlich im Bereich der frühkindlichen Bildung. […]

Die Bandbreite der Bedeutungen, die digitale Medien und vernetzte Kommunikation für die Gleichstellung in einer sich verändernden Welt haben, wird nicht nur in der frühkindlichen Bildung zu wenig erfasst, sondern auch im Kontext Schule. […]

Die Sachverständigenkommission empfiehlt den Bundesländern die Vermittlung digitalisierungsbezogener Kompetenzen in der frühkindlichen Bildung, in der schulischen Bildung […] und dem Bund diese in der beruflichen Weiterbildung zu verankern und dabei genderkompetent zu agieren.

Was soll man dazu sagen? So much crap, so little time. Wir haben schon des öfteren unsere Bedenken bezüglich “MINT” geäußert — hat sich aber bisher weder in Düsseldorf noch in Berlin herumgesprochen.

Franz Lemmermeyer schrieb vor etwa zwei Jahren (“Früher MINT wagen!”):

Ich habe nichts gegen Förderung von naturwissenschaftlichen Fächern, aber Kindergärten heißen aus einem ganz bestimmten Grund Kindergärten, nämlich aus demjenigen, dass er meist von Kindern besucht wird. Für meinen Teil wäre es genug Physik, wenn diese Kinder lernen würden, dass Dinge nach unten fallen, dass es mehr weh tut, wenn man auf der Straße hinfällt als wenn man das auf Gras macht […]

Was mir dagegen fürchterlich auf die Nerven geht sind Leute, die predigen, dass man diesen Kindern, damit sie später in der Welt der Wirtschaft überlebensfähig sind (wenn ein Satz so los geht, lese ich eigentlich nicht mehr weiter), etwa Chinesisch oder Quantentheorie lernen müssen. Müssen sie nicht. Sie müssen im Sandkasten spielen, einen Ball durch die Gegend kicken, oder Bilder malen, für die sie sich 5 Jahre später schämen. Sie müssen hinfallen, wieder aufstehen, andern Kindern auf die Nerven gehen, und lernen wie man ein Spiel zu Ende spielt, ohne dass die halbe Runde in Tränen ausbricht.

Solche Gedanken und eine Karriere als Familienministerin schließen sich offenbar aus.

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