“Nie mehr Schule: Warum LehrerInnen den Beruf wechseln”

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Manche Lehrer haben offenbar die Schnauze voll von einem “lähmenden Beamtenapparat”, der keine Rücksicht auf ihre Bedürfnisse nimmt und ihre Ideen ignoriert.

Das sollten sich unsere Lieblingsschulministerin Yvonne Gebauer und jeder Regierungspräsident, jede Schuldezernentin, jeder Schulleiter einmal anhören: den knapp fünfminütigen Beitrag “Nie mehr Schule: Warum LehrerInnen den Beruf wechseln” (von Kai Rüsberg, Sendung “Campus und Karriere”, Deutschlandfunk, 01.02.2022).

Da ist die Rede von einem Lehrer, der keine Lust mehr auf seinen Job hatte:

Auch der 43-jährige Gymnasiallehrer Patrick Brauweiler ist in jungen Jahren mit viel Willen zur Veränderung in den Lehrerberuf gestartet. Doch davon ist nicht viel übrig: “Ich bin frustriert. […]”

Im letzten Jahr hat der Kölner aufgegeben. Er arbeitet jetzt als Berater in der freien Wirtschaft. Er hatte sich eingeengt gefühlt in einem lähmenden System aus Vorschriften. Für kreative Lehre war in seinen Fächern Englisch, Französisch und praktische Philosophie zu wenig Platz. Es sei zu viel darum gegangen, Schüler zu bewerten, statt zu unterrichten. “Man verbringt ja ganze Wochenenden, ganze Nächte damit zu korrigieren. […] Da ist so viel Energie drauf gegangen auf dieses Testen und Bewerten und Prüfen.” […]

Über Jahre hat er versucht, daran etwas zu ändern […] Im Beamtenapparat fand er aber nie jemanden, der sich seiner Ideen angenommen hätte. “Dass ich nie das Gefühl hatte, ich kann hier konstruktiv Dinge, die für mich schwierig sind oder die ich gerne verändern möchte, ansprechen, weil ich hab ja gar keinen Ansprechpartner, dem ich das sagen könnte, der daran etwas ändern könnte. Ich konnte als allerletztes an diesen Dingen was ändern.”

In dem Radiobeitrag wird ferner Isabell Probst vorgestellt:

Sie hat in Sankt Augustin bei Bonn eine Beratungsfirma für Aussteiger gegründet. […] “Trotz Beamtenstatus werden sich viele darüber irgendwann klar, dass Sicherheit nicht alles ist, und ihnen fehlt oftmals Erfüllung, das Management zwischen Gesundheit Work-life-Balance und inhaltlicher Sinnstiftung.”

Probst ist selbst vor Jahren aus dem Schuldienst ausgestiegen, unterstützt seitdem andere. “[…] Die Vorgaben [sind] ein extrem enges Korsett, es ist so viel von oben aufdiktiert, dass im Grunde man sich nur im Wendekreis eines Bierdeckels bewegen kann mit seiner pädagogischen Freiheit, und das reicht vielen Lehrkräften eben nicht.”

Dem haben wir nichts hinzufügen. Auch wir sind mit diversen Anliegen (zum Beispiel rechtswidrige Prüfungen im Zentralabitur, fragwürdiger GTR, mangelhafte Schulbücher für Mathematik) auf taube Ohren gestoßen. Zur Vertiefung des Themas “Mitarbeiterzufriedenheit” empfehlen wir einstweilen die Lektüre der Bücher “Schulinfarkt. Was wir tun können, damit es Kindern, Eltern und Lehrern besser geht” von Jesper Juul und “Ich arbeite in einem Irrenhaus” von Matthias Wehrle.


PS
Angesichts von unattraktiven Arbeitsbedingungen muss man sich über Lehrermangel nicht wundern. Doch das Ministerium für Schule und weltbeste Bildung setzte vor ein paar Jahren lieber auf eine Werbekampagne (“Jede Lehrkraft zählt!” — hahaha), anstatt Missstände im Schulwesen zu beseitigen:

Hauptziel der Kampagne ist es nach wie vor, gezielt und offensiv um neue Lehrerinnen und Lehrer für den Schuldienst in NRW zu werben. […] Der Kampagnenansatz „Meine Klasse“ zeigt die hohe Identifikation von Lehrerinnen und Lehrern mit ihrem Beruf und den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen und hebt das außergewöhnliche Engagement der Lehrkräfte für „ihre“ Schülerinnen und Schüler und für unsere Gesellschaft hervor.

Da muss man sich fragen, ob die Beamten im Ministerium ihre eigene Werbung für die Realität halten. Unten sind die Hochglanz-Werbefotos abgebildet, die benutzt wurden — Shiny Happy People…

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