Der Zweck einer Tagesordnung
Wer die grundlegenden Spielregeln der Gremienarbeit missachtet, leistet Schlamperei und Willkür Vorschub.
Wir hätten nicht gedacht, dass es nötig ist, über so etwas Selbstverständliches wie den Zweck einer Tagesordnung aufzuklären, aber man lernt nie aus.
Sei es die Mitgliederversammlung eines Sportvereins, der Rat einer Gemeinde oder die Lehrerkonferenz einer Schule: Wer mit solchen Gremien zu tun hat, sollte darauf achten, dass für jede Sitzung des Gremiums eine Tagesordnung (rechtzeitig) vorliegt und dass diese eingehalten wird.
Wikipedia weiß:
Die Tagesordnung legt die in der Sitzung zu behandelnden Themen fest, um eine Aussprache und gegebenenfalls eine Beschlussfassung zu ermöglichen. Eine weitere Aufgabe einer Tagesordnung besteht darin, die Mitglieder eines Gremiums oder einer Arbeitsgruppe im Vorfeld über die zu beratenden und zu beschließenden Themen zu unterrichten und diesen dadurch eine ordnungsgemäße Vorbereitung auf die Sitzung zu ermöglichen. Damit ermöglicht eine durch eine Tagesordnung vorbereitete Gremien- oder Arbeitsgruppensitzung im Gegensatz zum bloßen Umlaufverfahren eine Einwirkung auf die Meinungsbildung anderer Mitglieder.
Auf betriebsrat.de ist zu lesen:
Die Tagesordnung (auch als „Agenda“ bezeichnet) legt fest, welche Tagesordnungspunkte in einer Sitzung, Besprechung oder Versammlung zum Zwecke der Information, Beratung oder Abstimmung behandelt werden sollen. Eine Tagesordnung verleiht den Gesprächen (Meetings) Struktur und Orientierung. Ihre Erstellung ist unverzichtbar, wenn den Teilnehmern Gelegenheit zur Vorbereitung gegeben werden soll.
Auf derselben Seite ist ferner zu lesen:
Nur bei Kenntnis der Tagesordnung hat ein verhindertes Betriebsratsmitglied die Möglichkeit, seine Betriebsratskollegen schon vor der Sitzung über seine Auffassung in einer bestimmten Angelegenheit zu unterrichten und sie zu überzeugen oder sie ggf. auch nur zu bitten, seine Argumente in der Betriebsratssitzung zumindest vorzutragen.
Auf deutsches-ehrenamt.de ist bezüglich der Mitgliederversammlung von Vereinen zu lesen:
Die Zusendung der Tagesordnung in der Ladung ist gesetzlich vorgeschrieben, damit sich alle Mitglieder vorbereiten können und wirksame Beschlüsse gefasst werden. Dabei müssen die Punkte so genannt sein, dass für jedes Mitglied erkennbar ist, was konkret beschlossen oder diskutiert werden soll.
Im Reader “Einmischen will gelernt sein!” der DGB Jugend NRW und der Landesschülervertretung NRW heißt es:
Die Tagesordnung für die Schülerratssitzung sollten die Klassensprecher rechtzeitig bekommen, so dass sie die Möglichkeit haben, sich auf die Sitzung vorzubereiten und sich Gedanken zu machen. Es ist leichter, sich über eine Idee eine Meinung zu bilden, wenn man die Tagesordnung vorher kennt und deshalb mehr Zeit dafür hat. Daher sollte man weitestgehend darauf verzichten, in einer Schülerratssitzung eine Idee vorzustellen und gleich darüber abzustimmen (es sei denn, man hat Angst davor, dass die Leute ihren eigenen Kopf benutzen).
Die rechtzeitige Bekanntgabe und das Einhalten der Tagesordnung verhindern also, dass Sitzungsteilnehmer von Themen überrascht werden und es — mangels Vorbereitung — zu spontanen mangelhaften Beratungen und unüberlegten Beschlüssen kommt. Umgekehrt formuliert: Wenn ein Gremium Verstöße gegen die Tagesordnung (oder deren Zweck) zulässt, läuft es Gefahr, schlampig zu arbeiten, weil es zu mangelhaften Diskussionen und schlechten Entscheidungen kommt.
Ein Verstoß gegen die Tagesordnung (bzw. deren Zweck) liegt zum Beispiel vor, wenn: 1.) die Tagesordnung nicht rechtzeitig bekanntgegeben wird; 2.) über Gegenstände beraten und/oder beschlossen wird, über die laut Tagesordnung nur eine “Information” (oder eine Mitteilung oder ein Bericht) vorgesehen ist, oder 3.) unter dem Tagesordnungspunkt “Verschiedenes”/”Sonstiges” über Themen beraten und/oder beschlossen wird. In der Regel sind Beschlüsse, die auf diese nicht ordnungsgemäße Art zustande kommen, null und nichtig.
Möglicherweise sind Verstöße gegen die Tagesordnung sogar von gewissen Kräften eines Gremiums (zum Beispiel dem Vorstand eines Vereins oder dem Schulleiter als dem Vorsitzendem der Lehrer- und der Schulkonferenz) gewollt, um die Position des Gremiums zu schwächen, indem die Sitzungsteilnehmer sich nicht ausreichend vorbereiten können und dadurch eventuelle alternativen Meinungen sowie Gegenvorschläge und Änderungsanträge nicht gebildet und eingebracht werden können.
Somit wirken die rechtzeitige Bekanntgabe sowie das Einhalten der Tagesordnung nicht nur Schlamperei, sondern auch Willkür und Machtmissbrauch entgegen.
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Verwandter Artikel: “Wie autokratische Schulleiter die innerschulische Demokratie aushebeln können”.