Immer mehr Kinder und Jugendliche tun sich mit dem Sprechen schwer

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Digital first, Sprache second: “In vielen Familien wird zu wenig mit dem Nachwuchs kommuniziert.”

In der Pressemitteilung der KKH Kaufmännische Krankenkasse vom 07.12.2023 heißt es:

Immer mehr Kinder und Jugendliche sind wegen Sprachentwicklungsstörungen in logopädischer Therapie. Laut einer aktuellen Datenauswertung der KKH Kaufmännische Krankenkasse stieg die Zahl Betroffener zwischen 6 und 18 Jahren von 2012 auf 2022 um rund 59 Prozent. Bundesweit sind fast neun Prozent der 6- bis 18-Jährigen betroffen – fast jeder zehnte Junge und rund jedes 15. Mädchen. Am höchsten ist die Steigerungsrate im Zehn-Jahres-Vergleich bei den 15- bis 18-Jährigen mit fast 144 Prozent (Mädchen plus 160 Prozent, Jungen plus 135 Prozent). […]

Zu den Auslösern von Sprachdefiziten zählen unentdeckte Hörstörungen, genetische Veranlagung und anatomische Gründe wie ein fehlgebildeter Kiefer ebenso wie Probleme in der Familie oder Schicksalsschläge. Ein weiterer Grund, der oft unterschätzt wird: „In vielen Familien wird zu wenig mit dem Nachwuchs kommuniziert, selbst bei den Mahlzeiten nicht. Dadurch fehlen Sprachreize, die eine gesunde Sprachentwicklung fördern“, so Vijitha Sanjivkumar [vom sog. Kompetenzteam Medizin der KKH, A.R.]. Vielfach geht das auf das Konto intensiver Nutzung von Smartphone, PC und anderen digitalen Medien, die an die Stelle direkter Kommunikation tritt.

Tja, Digital first, Sprache second. Auch die Maßnahmen während der Coronapandemie hatten laut KKH Auswirkungen: “Maskenpflicht und Kontaktbeschränkungen erschwerten vor allem auch bei den Jüngsten den Spracherwerb.”

Norbert Häring rät auf seinem Blog (“Unsere Kinder verlernen das Sprechen”, 03.02.2024):

Deshalb der dringende Appell an alle Eltern und andere Menschen, die mit Kindern zu tun haben. Legen Sie ihre Smartphones weit weg, wenn Sie mit Kindern zusammen sind. Vermitteln Sie ihnen nicht die Botschaft, dass der normale Zustand darin besteht, dass zwei oder mehr Menschen, die zusammen sind, jeweils mit Dritten sprechen oder auf ein technisches Gerät starren und bestenfalls noch über das reden, was sie darauf sehen. Reden sie mit ihnen. Spielen sie mit ihnen. Es wird auch Ihnen sehr gut tun.

Das Land Nordrhein-Westfalen hält dagegen an der Digitalisierung der Schulen fest (“Digitalstrategie Schule NRW”): “Mit der ‘Digitalstrategie Schule NRW’ verstetigt die Landesregierung zum einen die bereits auf den Weg gebrachten Maßnahmen und zum anderen treibt sie die Digitalisierung weiter voran und baut sie aus – auch in der Überzeugung, dass diese ganz neue Chancen eröffnet.” Das NRW-Schulministerium schreibt:

Digitale Medien eröffnen neue, auch zunehmend individuelle Lernwelten unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Lernausgangslagen in einer veränderten Lernkultur. Sie können den Wissenserwerb verändern, selbstgesteuertes Lernen und vernetztes Denken fördern, Teilhabe ermöglichen, Kreativität befördern, kritisches Denken herausfordern, kollaborative und kommunikative Arbeitsformen stärken, neue fachliche Anforderungen grundlegen und zeitgemäße Gestaltungsmöglichkeiten schulischer Lehr- und Lernprozesse ermöglichen.

Das kann man glauben. Zu Risiken und Nebenwirkungen digitaler Medien fragen Sie Ihre Krankenkasse, einen Logopäden oder Karl-Heinz Dammer.

Titelfoto: Screenshot aus dem obigen youtube-Video “Are you lost in the world like me” (CoordONGDLleida).

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